HERZENSARBEIT

 

Im Juli 2020

 

«Was, du fotografierst Abschiedsfeiern, das ist doch geschmacklos! Warum machst du das? Für was soll das gut sein?» dies, oder einfach nur staunende Gesichstsausdrücke, fragende Augen, sind oft die Reaktion wenn ich, nur sehr selten, darüber spreche, dass ich auch Abschiedsfeiern, Beerdigungen, Bestattungen (wie man es auch immer nennen mag) von Kindern fotografiere. Unverständnis macht sich bei meinem Gegenüber breit.

 

Um etwas gegen dieses Unverständnis zu tun, schreibe ich diese Zeilen und vielleicht auch darum, weil ich in diesen Tagen wieder eine Abschiedsfeier fotografieren durfte und mich diese Familie zutiefst in meinem Herzen berührt hat.

 

Ja, genau, ich fotografiere Abschiedsfeiern von Kindern. Momente die einem sprachlos und zu tiefst traurig machen. Die Familien die ich kennenlernen darf befinden sich in einem absoluten Ausnahmezustand. Emotional nicht vorstellbar, was sie besonders an diesem Tag aushalten müssen, zu unwirklich ist es, sein Kind beerdigen zu müssen.

 

Wo im HIER und JETZT die Worte fehlen können später Fotos helfen zu Begreifen ...

Zugegeben, es braucht auch für mich jedesmal wieder eine gehörige Portion Mut dazu, eine Abschiedsfeier fotografisch festzuhalten. Meine Aufgabe ist es in diesen Momenten, Emotionen, Gesten, Symbole, Gegenstände fotografisch festzuhalten. Dies niemals im voyeuristischen Stil zu tun. Die Zeremonie keinesfalls störend, sollen dennoch die wichtigsten Momente festgehalten werden. Gerade wo kleine Geschwisterkinder zurück bleiben, die in einem Alter sind wo es noch schwer zu begreifen ist, was da genau vor sich geht, können diese Bilder Jahre später helfen zu begreifen was passiert ist.

 

... und wenn ich dann die Rückmeldung der Familie bekomme, dass die Bilder so wunderschön sind, ich dies so würdevoll gemacht habe und sie so unglaublich dankbar sind, dass diese wahnsinnig traurigen, emotionalen Momente auf Bildern festgehalten sind...

 

... ja dann berührt es mich zutiefst im Herzen ... es gibt mir das Gefühl, privilegiert zu sein diese sinnvolle, wichtige Arbeit machen zu dürfen. HERZENSARBEIT nenne ich dies für mich.

 


Im April 2020

 

Es stimmt mich sehr traurig, wenn ich zur Zeit all die Todesanzeigen lese, mit dem Hinweis: Beisetzung im engsten Kreise der Familie. Immerhin, die Familie darf noch dabei sein. Oder der Gedanke daran an die vielen Menschen die in einem Spital im Sterben liegen und keine Besuche mehr erlaubt sind. Ich stelle mir vor, wie viele Menschen es gäbe, die auch gerne Abschied genommen hätten von dieser Person. Die dieser Person vielleicht sogar näher gestanden sind als Familienmitglieder. Als Trauerbegleiterin weiss ich, wie wichtig «Abschiednehmen dürfen» für den Trauerprozess ist, wie gut es tut aktiv beim Abschied dabei sein zu können. Dies fällt nun oft weg und man muss aus der «Distanz» mit seinen Trauergefühlen klar kommen. Natürlich kann man auch in einem halben Jahr noch eine schöne Abschiedsfeier machen. Aber was ist mit all den Trauernden in der Zeit dazwischen?

 

Ich möchte mit diesen Kurzen Zeilen darauf aufmerksam machen, dass Trauerbegleitung in einer Situation, wie wir sie gerade erleben, auch per Telefon stattfinden kann. Ihr seid nicht alleine mit euren Gefühlen. Es gibt viele Trauerbegleiterinnen die auch jetzt für Euch da sind.

 

Und wenn ich die aktuelle Situation erlebe ist es doch nichts anderes als ein Trauerprozess, den die ganze Bevölkerung jetzt durchlebt. Zuerst geht’s jetzt bei allen ums «Überleben» nach einer gewissen Zeit werden wir die Situation «begreifen», verschiedenste «Gefühle durchleben» wird werden uns «an die neue Situation anpassen» müssen und unseren «neuen Platz in der Gesellschaft» finden. Irgendwann dann, können wir dem Geschehenen «Bedeutung und Sinn» geben.

 

Wer mehr über die Trauer und wie sie «abläuft», in kompakter Form, erfahren möchte, dem sei das Büchlein «Der Reiseführer durch ein fremdes Land TRAUER» wärmstens zu empfehlen.